Hufrehe beim Pferd/Pony – mehr als ein Fütterungsproblem
Hufrehe ist eine gefürchtete Erkrankung bei Pferden und Ponys. Tierhalter stehen oft ratlos da, wenn plötzlich der Diagnosebegriff „Rehe“ im Raum steht. Was folgt, ist in vielen Fällen ein radikales Fütterungsdiktat:
kein Gras, kein Obst, kein Brot und manchmal gefühlt kein Leben mehr in Freude.
Doch Hufrehe ist keine Krankheit, die allein durch „zu viel Futter“ entsteht.
Sie ist eine multifaktorielle Entgleisung des Stoffwechsels, häufig verbunden mit hormonellen Imbalancen, Stress und einem gestörten Kohlenhydrat-Stoffwechsel, vergleichbar mit Diabetes Typ II beim Menschen.
Was passiert bei einer Hufrehe?
Bei einer Rehe kommt es zu einer Entzündung der Huflederhaut, dem lebendigen Gewebe zwischen Hufbein und Hufkapsel.
Durch Entzündungsmediatoren und/oder Durchblutungsstörungen löst sich die Verbindung dieser Schichten, was zu enormen Schmerzen und im schlimmsten Fall zum Absenken oder Drehen des Hufbeins führt – ein akuter Notfall.
Warum vor allem Ponys gefährdet sind
Insbesondere Robustrassen und Ponys, deren Stoffwechsel auf karge Lebensbedingungen ausgelegt ist, geraten schnell in eine Überversorgung, wenn sie an nährstoffreichem Frühlingsgras knabbern dürfen.
Was viele jedoch nicht wissen: Nicht jedes Rehepferd ist automatisch „zu dick“ oder „zu viel gefüttert worden“.
Bei manchen Tieren liegt ein physiologischer Insulinmangel oder eine Insulinresistenz vor.
Das bedeutet, dass sie die Fruktane und Zucker aus dem Gras nicht korrekt verstoffwechseln können, ähnlich wie bei einem Diabetes mellitus.
Der Blutzuckerspiegel entgleist, es kommt zu Entzündungsreaktionen im Körper, in manchen Fällen mit Hufrehe als Folge.
Die Rolle von Stress
Was in der Schulmedizin noch zu wenig berücksichtigt wird: emotionaler Stress ist ein massiver Trigger für Stoffwechselentgleisungen. Ein Pony, das plötzlich von seiner Herde getrennt und auf einen „kargen“ Auslauf verbannt wird, kann genauso unter Stress geraten wie ein Mensch in Isolation.
Stress beeinflusst den Blutzucker, die Cortisol-Ausschüttung und kann bestehende Probleme verschärfen.
Ein Blick auf unseren Alltag: das Beispiel Felix
Seit fast 40 Jahren begleiten uns Pferde und Ponys.
Wir hatten das große Glück, nie mit Hufrehe konfrontiert zu sein.
Vielleicht, weil wir immer sehr gewissenhaft waren, wenn es ums Anweiden ging: buchstäblich mit Uhr in der Hand, langsam die Weidezeit gesteigert und begrenzt Ausgang ins Grüne, angepasst an Wetter, Boden und Graswuchs.
Doch nun hat es unseren immer frechen Ponymann Felix erwischt – ganz plötzlich und trotz aller Vorsicht.
Eine Erfahrung, die uns einmal mehr zeigt, wie sensibel der Stoffwechsel gerade bei kleinen Rassen reagieren kann.
Es ist enorm wichtig und von großer Bedeutung, nicht nur Futter, sondern das ganze Pferd/Pony im Blick zu behalten.
Bei uns zeigt sich dieses Dilemma ganz konkret: Unsere Tierfamilie ist bunt gemischt – Großpferde, Esel, Pony und Schaf.
Nicht umsonst werden gleiche Rassen gemeinsam gehalten, weil sie in etwa dieselben Fressgewohnheiten und Bedürfnisse haben.
Das ist um einiges unkomplizierter.
Die ersten Tage musste Felix in der kahlen Halle mit Sandboden beim Heu bleiben.
Valentina, seine Schafgefährtin besuchte ihn immer wieder, um nach ihm zu sehen und ihn zu trösten.
Es war für Felix ein enormer Stress, nicht mit auf die Weide zu dürfen und mitunter seine Tiergefährten nicht mehr zu sehen.
Während die Großen entspannt im saftigen Gras schmatzen dürfen, wurde für unseren sensiblen Ponymann Felix ein eigener Bereich kahlgemäht, um ihm eine sichere Umgebung zu bieten.
Vorteil: Er sieht die anderen.
Er will dazu gehören wie all die Jahre zuvor.
Und genau dieses Bedürfnis nach sozialem Kontakt ist für seine seelische Gesundheit entscheidend.
Denn Stress durch Isolation oder Benachteiligung ist für einen stoffwechsel-empfindlichen Organismus mindestens genauso gefährlich wie ein Biss ins saftige Gras.
Hufrehe ist keine reine Graskrankheit. Sie ist das Symptom einer tieferliegenden Störung – hormonell, metabolisch, emotional.
Statt radikaler Futterverbote braucht es oft eine individuelle Diagnostik, die auch Insulinwerte, Leber- und Cortisolparameter berücksichtigt.
Es braucht ein liebevolles Management: angepasste Weidezeit und ev. vorher abgemäht, sozialverträgliche Lösungen, pferdegerechte Bewegung, stressarmes Umfeld und Menschen, die bereit sind, hinzusehen statt zu verurteilen.
Fazit
Unser größter Wunsch ist es jetzt, dass Felix wieder vollständig gesund wird – mit Geduld, Fürsorge und einem liebevollen, ganzheitlichen und umfassenden Weitblick auf das, was er wirklich braucht.
Und vielleicht kann seine Geschichte auch andere Pferde- und Ponybesitzer ermutigen, hellhörig zu werden, genauer hinzuschauen und nicht vorschnell zu urteilen.
Hufrehe ist kein „Fütterungsfehler“, sondern oft ein Hilferuf des Organismus, der verstanden werden möchte.
Es lohnt sich, gemeinsam mit Fachleuten auf Ursachensuche zu gehen, nicht nur um Symptome zu bekämpfen, sondern um das Beste für unsere treuen Tiergefährten zu tun:
ein gesundes, glückliches Leben in Balance – körperlich wie seelisch.
Herzlichst
Rita & Rupert