Wenn die Pferdewelt ins Wanken kommt
In den vergangenen Wochen sind die Wellen in der Pferde- und Reiterwelt einmal mehr hochgeschlagen.
Während ich diese Zeilen überlegte, tagten Entscheidungsträger am anderen Ende der Welt – diesmal in Hongkong und diskutieren über mögliche Lockerungen der sogenannten Blood Rules. Alleine dieser Begriff lässt mich erschauern.
Parallel dazu werde ich in Gesprächen immer wieder darauf hingewiesen, Sporen seien eine „sensiblere Hilfe“, mit einer strengeren Ausrüstung könne „präziser kommuniziert“ und ein „bisschen Druck“ halte ein Pferd schließlich aus.
All das macht mich nachdenklich.
Denn ich sehe nicht nur Regeln, Ausrüstung oder Trainingsmethoden – ich sehe die Pferde dahinter.
Vier Jahrzehnte an der Seite verletzter Pferde
Seit bald 40 Jahren begleite ich traumatisierte, gebrochene und zutiefst missverstandene Pferde zurück in ein Leben voller Vertrauen, Freude und Selbstwert.
Pferde, die nicht gehört wurden.
Pferde, die funktionieren mussten.
Pferde, die in einem System überfordert waren, das oft lauter ist als ihre leise Sprache.
In all diesen Jahren habe ich gelernt:
Es sind nicht die Hilfsmittel, die Pferde heilen.
Es ist Beziehung.
Es ist Zuhören.
Es ist das Annehmen dessen, was ein fühlendes Wesen in seinem Kern braucht.
Warum dieses Buch gerade jetzt wichtig ist:
Genau deshalb ist „Wenn Pferde weinen könnten“ entstanden.
Nicht aus einem literarischen Impuls heraus.
Nicht, weil ich „auch einmal ein Buch schreiben wollte“.
Sondern weil mich die Lebensgeschichten der Pferde seit Jahrzehnten begleiten und weil sie erzählt werden müssen.
Picasso, dessen Weg ich im Buch beschreibe, steht stellvertretend für so viele andere.
Sein Name könnte getauscht werden gegen unzählige Pferde, die ich im Laufe der Jahre kennenlernen durfte: Pferde, die zu laut angeleitet wurden, zu hart fordernden Situationen ausgesetzt waren, die keine Verschnaufpause kannten, weil Leistung, Erwartung und Druck den Takt vorgaben.
Und es betrifft nicht nur eine Pferderasse oder einen Reitstil, nein, es geht quer Feldein.
Ein Spiegel für uns alle
Dieses Buch ist kein Fingerzeig oder eine Belehrung.
Er zeigt, wohin der Weg führen kann, wenn wir nicht mehr auf das hören, was Pferde uns zuflüstern – leise, klar, ehrlich.
Der Weg zeigt auch, wie viel möglich ist, wenn wir beginnen, ihnen Raum zu geben:
Raum zum Atmen.
Raum zum Fühlen.
Raum, wieder Vertrauen zu entwickeln.
Eine Einladung – gerade jetzt
Gerade in einer Zeit, in der über Lockerungen, Hilfsmittel und „effizientere Kommunikation“ diskutiert wird, möchte ich an etwas erinnern, das tiefer geht als jede Regel: Denn ein Pferd ist kein Sportgerät.
Es ist ein weiser Gefährte – einer, der uns auf seine stille, ehrliche Weise daran erinnert, was Respekt, Achtsamkeit und echte Verbindung bedeuten.
Ein Pferd ist kein Prestigeobjekt.
Ein Pferd ist ein Lebewesen mit einer Geschichte, einer Seele und einer Stimme.
Möge „Wenn Pferde weinen könnten“ ein Anstoß sein, wieder genauer hinzuhören.
Möge es Menschen mutig stimmen, den Weg im Mitgefühl zu gehen.
Ich danke dir, dass du dir die Zeit nimmst, dieses Thema mit mir zu tragen.
Für die Pferde.
Für all jene, deren Geschichten noch erzählt werden wollen.
Das, was wir in der Pferdewelt erleben, ist kein isoliertes Thema.
Es lässt sich auf jedes Tier übertragen, das nicht artgerecht gehalten, nicht gesehen oder nicht ernst genommen wird.
Und letztlich spiegelt es auch uns Menschen wider – vielleicht deutlicher, als uns manchmal lieb ist.
Denn Überforderung, fehlende Pausen, zu hoher Druck, nicht gehört, nicht verstanden zu werden … all das sind Erfahrungen, die wir genauso machen können wie die Tiere, deren Leben wir beeinflussen.
Wenn wir lernen, achtsam mit ihnen umzugehen, lernen wir gleichzeitig einen achtsameren Umgang mit uns selbst.
Wenn wir beginnen, ihre Bedürfnisse zu respektieren, öffnen wir die Tür zu einem tieferen Verständnis für das Leben an sich.
Und wenn wir den Mut haben, für sie einzustehen, erinnern wir uns daran, wie wertvoll Mitgefühl in einer lauten, schnellen Welt geworden ist.
Am Ende zeigt uns jedes Pferd, jedes Tier, jede Begegnung mit Menschen: Würde ist universell.
Empathie ist übertragbar.
Und Freude beginnt dort, wo wir hinschauen – mit offenem Herzen und echter Verantwortung.
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Herzlichst
Rita & Rupert
















